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KSeF und ausländische Geschäftspartner – Probleme mit der Definition der „festen Niederlassung“ und deren Auswirkungen auf Unternehmen

KSeF und ausländische Geschäftspartner – Probleme mit der Definition der „festen Niederlassung“ und deren Auswirkungen auf Unternehmen

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Datum16 Juni 2025

Das Nationale System für elektronische Rechnungen (KSeF), das ab 2026 verpflichtend wird, gilt nicht nur für Unternehmen mit Sitz in Polen. Die Vorschriften betreffen auch ausländische Unternehmen, die in Polen über eine sogenannte feste Niederlassung (engl. fixed establishment, FE) tätig sind.

Auch wenn die gesetzliche Regelung auf den ersten Blick einfach erscheint, zeigt die Praxis, dass die Feststellung, wann eine solche Verpflichtung besteht, mehr Fragen als Antworten aufwirft – sowohl für ausländische Lieferanten als auch für ihre polnischen Geschäftspartner.


KSeF-Pflicht – wen betrifft sie und ab wann?

Gemäß der Änderung des polnischen Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung gestaffelt eingeführt:

  • Ab dem 1. Februar 2026 – für Steuerpflichtige mit einem Bruttoumsatz von über 200 Mio. PLN im Jahr 2024,
  • Ab dem 1. April 2026 – für alle übrigen Steuerpflichtigen, unabhängig davon, ob sie der Mehrwertsteuer unterliegen oder befreit sind.

Zu dieser Gruppe gehören auch ausländische Unternehmen, die in Polen über eine feste Niederlassung (FE) verfügen – selbst wenn sie dort keinen Unternehmenssitz haben.


Wann gilt die KSeF-Pflicht nicht?

Nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des polnischen UStG sind von der KSeF-Pflicht ausgenommen:

  • Steuerpflichtige ohne Sitz oder feste Niederlassung in Polen,
  • Steuerpflichtige ohne Sitz in Polen, die jedoch über eine feste Niederlassung in Polen verfügen, sofern diese feste Niederlassung nicht an der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen beteiligt ist, für die die Rechnung ausgestellt wurde.

Diese Regelungen erscheinen klar, führen in der Praxis jedoch zu zahlreichen Auslegungsfragen. Bereits die Feststellung, ob ein ausländisches Unternehmen in Polen eine feste Niederlassung hat, ist komplex. Noch schwieriger wird es, wenn zusätzlich geklärt werden muss, ob diese Niederlassung auch an der konkreten Transaktion beteiligt ist – was wiederum Konsequenzen für die polnischen Geschäftspartner nach sich zieht.


Feste Niederlassung (FE) – zentrales Problem bei der Abrechnung mit ausländischen Firmen

Die Verpflichtung zur Ausstellung von Rechnungen über das KSeF wurde mit dem Bestehen einer festen Niederlassung (FE) in Polen verknüpft. Diese kann eine faktische Geschäftsstruktur darstellen, auch wenn kein formeller Sitz vorhanden ist. Weder die polnischen noch die europäischen Vorschriften enthalten jedoch klare Kriterien, die zweifelsfrei bestimmen, wann eine solche Niederlassung vorliegt. Dadurch entstehen Unsicherheiten auf beiden Seiten der Transaktion.


Fehlende Definition und praktische Auswirkungen

Gemäß Art. 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 gilt als FE:

„ein anderer Ort als der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der über eine ausreichende Dauerhaftigkeit sowie über eine geeignete Struktur an Personal und technischer Ausstattung verfügt, um Dienstleistungen für die eigenen Zwecke dieser festen Niederlassung zu empfangen und zu nutzen.“

In der Praxis muss jeder Einzelfall gesondert beurteilt werden – entscheidend sind die Art der Infrastruktur in Polen sowie der Grad ihrer Einbindung in die jeweilige Geschäftstransaktion.

Das bloße Vorhandensein von Personal, Lagern oder Ausrüstung bedeutet noch nicht, dass eine FE besteht. Wichtig ist, ob die jeweilige Struktur tatsächlich an der Lieferung oder Leistung beteiligt ist – also ob die ausgestellte Rechnung mit dieser Geschäftstätigkeit in Zusammenhang steht.


Rechtsunsicherheit und Welle von Anträgen auf Einzelauslegung

Angesichts der Unklarheiten beantragen viele Unternehmen eine individuelle steuerliche Auslegung, um zu klären, ob sie unter die KSeF-Pflicht fallen. Die vom Finanzministerium angekündigten Erläuterungen bieten jedoch keine rechtliche Sicherheit – jeder Fall kann je nach Kontext unterschiedlich bewertet werden.

Diese Unsicherheit betrifft auch polnische Empfänger, die oft nicht überprüfen können, ob eine ausländische Rechnung korrekt über KSeF ausgestellt wurde. Fehler in der Rechnungsform können zu Problemen bei der steuerlichen Erfassung und zu notwendigen Korrekturen führen.


Zweifel an der Übereinstimmung mit der EU-Derogationsentscheidung

Zusätzliche Zweifel betreffen die Vereinbarkeit der polnischen Vorschriften mit der von der Europäischen Kommission erteilten Derogation, die das KSeF-System ermöglicht hat. Diese Genehmigung bezieht sich ausdrücklich nur auf Unternehmen mit Sitz in Polen.

Die polnische Gesetzesänderung hingegen bezieht auch Unternehmen mit FE in Polen ein. Laut dem Wojewodschaftsverwaltungsgericht in Gliwice (Urteile vom Oktober 2024) könnte dies über das Mandat der Kommission hinausgehen – was die Rechtsgrundlage für die Verpflichtung von FE-Unternehmen zur Nutzung von KSeF infrage stellt.

Das Gericht stellte fest, dass die Ausdehnung der Pflicht auf Unternehmen ohne Sitz in Polen möglicherweise nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist.


Was können Unternehmen tun? Praktische Maßnahmen zur Risikominimierung

Angesichts fehlender Klarheit, widersprüchlicher Auslegungen und rechtlicher Unsicherheiten müssen sowohl ausländische Firmen als auch ihre polnischen Geschäftspartner eigenständig Vorkehrungen treffen. Besonders wichtig ist die rechtzeitige Analyse, ob eine feste Niederlassung (FE) besteht, die an der jeweiligen Transaktion beteiligt ist.

Folgende Optionen stehen zur Verfügung – je nach Profil und Struktur des Unternehmens:

  • Freiwillige Nutzung von KSeF
  • Einige Unternehmen entscheiden sich trotz fehlender Pflicht dafür, Rechnungen über KSeF auszustellen. Dies kann das Risiko formaler Beanstandungen verringern und die Zusammenarbeit mit polnischen Partnern erleichtern – vorausgesetzt, die internen Systeme und Prozesse sind entsprechend angepasst.

  • Antrag auf individuelle Auslegung
  • Ein Antrag bei der polnischen Steuerverwaltung (KIS) ermöglicht es, eine offizielle Auslegung zur eigenen Situation zu erhalten. Diese ist rechtlich bindend, kann jedoch in Einzelfällen angefochten werden.

  • Selbstfakturierung (Self-billing)
  • Bei langfristigen Geschäftsbeziehungen kann ein Vertrag zur Selbstfakturierung geschlossen werden – dabei stellt der polnische Kunde die Rechnung im Namen des ausländischen Lieferanten aus. Dies setzt gegenseitiges Vertrauen sowie die Einhaltung formaler Anforderungen voraus.

  • Kontrollverfahren auf Empfängerseite
  • Polnische Unternehmen sollten überprüfen, ob sie alle Rechnungen über das KSeF erhalten haben – insbesondere Korrekturrechnungen. Ohne geeignete Kontrollmechanismen können wichtige Dokumente übersehen werden, was zu verspäteten Buchungen oder Verlust des Vorsteuerabzugs führen kann.

Jede dieser Optionen erfordert Zeit, Vorbereitung und Anpassung an die jeweilige Unternehmensrealität. Ziel ist es, Risiken zu minimieren und möglichst klare steuerliche Rahmenbedingungen zu schaffen – selbst dort, wo die gesetzlichen Vorgaben Spielraum lassen.


Die Einführung von KSeF bringt nicht nur technische, sondern auch rechtliche und operative Herausforderungen mit sich – insbesondere bei grenzüberschreitenden Geschäften. Entscheidend ist die Feststellung, ob eine feste Niederlassung (FE) in Polen besteht und ob sie an steuerpflichtigen Transaktionen beteiligt ist.

Unternehmen sollten nicht nur ihre Systeme anpassen, sondern auch aktiv Risiken analysieren, um Fehler und Sanktionen zu vermeiden. Frühzeitiges Handeln ist hier essenziell – denn je näher das Inkrafttreten des KSeF rückt, desto teurer kann Untätigkeit werden.

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, oder zusätzliche Informationen benötigen, zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren:

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Elżbieta Naron

ELŻBIETA NARON
Abteilungsleiter Kundenbetreuung
getsix® Gruppe
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